Fall: Frau 35 Jahre mit Dyspareunie, Steißbeinschmerzen und Irritation am Anus

06/12/2019

Dieser Fall betrifft eine 35-jährige Frau mit Dyspareunie, Steißbeinschmerzen post partum und Irritation am Anus. Die Patientin war in Verbindung mit Steißbeinbeschwerden bei einem Allgemein-Physiotherapeuten in Behandlung, wurde mit diesen Beschwerden an eine Beckenphysiotherapeutin überwiesen.

Intake:

Vor sechs Monaten wurde sie von ihrem zweiten Sohn entbunden. Mit Schmerzbeschwerden am Steißbein und Dyspareunie ging sie zum Hausarzt und wurde zum Gynäkologen überwiesen. Sie selbst dachte, die Schmerzbeschwerden würden durch die Narbe verursacht. Der Gynäkologe stellte eine hohe Beckenbodenspannung fest und überwies sie an den Sexologen. Der Sexologe sprach ein Penetrationsverbot aus und zugleich wurde sie an eine Beckenphysiotherapeutin überwiesen.

Bei Miktion hat sie Beschwerden durch Hesitation, Pressmiktion, gestörte Blasenentleerung, einmalige Harnwegsinfektion während der Schwangerschaft. In Bezug auf die Defäkation zeigt sie auf der Bristol-Stuhlformen-Skala einen Wert von 2, regelmäßige Obstipation (nimmt dann Beutel) und zuweilen Hämorrhoidalbeschwerden.

Seit ihrer Pubertät hat sie Schwierigkeiten beim Einführen eines Tampons und klagt regelmäßig über Pilzinfektionen. Während der 2. Schwangerschaft Steißbeinbeschwerden, vor allem beim Sitzen. Bei der 2. Entbindung unterzog sie sich einer Episiotomie links in Verbindung mit fetalem Distress. Vor den Geburten war der Koitus manchmal etwas empfindlich. Die heutigen Schmerzbeschwerden befinden sich an anderer Stelle. Die sexuelle Erregung ist gut und der Orgasmus kein Problem.

Vaginale Innenuntersuchung:

Die Haut rund um die Vagina ist gerötet und sieht gereizt aus. Der Scheideneingang ist eng, Palpation mit 1 Finger ist schmerzlos möglich. Der Tonus der Muskulatur ist hoch, verbunden mit Strangbildung vor allem links. Der M. puborectalis ist empfindlich und links befinden sich Trigger points. Die Beschwerden bei Anspannung sind schwach bis normal, Hebewegung partiell, Relaxation nach Anspannung ist verzögert und unvollständig (sowohl bei schneller als auch bei Dauerkontraktion).

Nach Streckung des M. puborectalis (was sie gut vertrug) verbesserte sich die Relaxation und konnte sie fühlen, dass sie sich etwas besser anspannen konnte.

Vaginale EMG-Messung:

Eine Erklärung darüber, wie MAPLe Grid zu interpretieren ist, finden Sie unten in dieser Fallbeschreibung.

 Casus 1 aug

Die EMG-Messung bestätigt die Befunde der vaginalen Palpation. Im Graph (Liniendiagramm, rechts) ist zu sehen, dass die EMG-Aktivität hoch ist und die Abweichungen groß sind. Im MAPLe Grid (links) ist zu sehen, dass sich die erhöhte Aktivität hauptsächlich links in der Tiefe befindet, in Höhe von M. puborectalis und M. ilio- und pubococcygeus (tief).

Casus 2 aug

Wenn die äußeren Ringe ausgeschaltet werden, ist dies noch besser zu sehen. Der Graph zeigt den Mittelwert der aktiven Ringe.

Behandlung:

Die Beckenphysiotherapeutin beschließt die Mobilisierung des Steißbeins (NIMOC 'non-invasive mobilization of the coccyx'). Anschließend führt sie erneut eine EMG-Messung durch (im Rahmen der gleichen Behandlung).

Casus 3 aug

Im Graph (rechts) ist zu sehen, dass die EMG-Aktivität zurückgegangen ist und die Abweichungen kleiner sind. Im MAPLe Grid (links) ist zu sehen, dass die Aktivität links in Ruhe zurückgegangen ist.

 

Während des nächsten Termins gibt die Patientin an, dass sie aus der Mobilisierung Nutzen gezogen hat. Die Schmerzbeschwerden sind zurückgegangen, kehren jedoch (in geringerem Umfang) zurück, insbesondere wenn sie etwas länger sitzt (sie geht einer sitzenden Tätigkeit nach).

Die Beckenphysiotherapeutin beschließt, zuerst die Steißbeinmobilisierung zu wiederholen und danach eine EMG-Messung vorzunehmen.

Casus 4 aug

Im Graph ist zu sehen, dass die Ruheaktivität geringer ist als während der ersten Behandlung und dass die EMG-Aktivität und die Abweichungen in etwa die gleichen sind wie bei der zweiten EMG-Messung der vorherigen Behandlung (nach der ersten Steißbeinmobilisierung). Im MAPLe Grid ist zu sehen, dass die Aktivität links und in geringerem Umfang rechts tief im Vergleich zu den Referenzwerten zu hoch ist (rot).

Die Beckenphysiotherapeutin beschließt danach, mit Elektrostimulation zu behandeln mit dem Ziel einer weiteren Verbesserung der Relaxation.

Parameter: Frequenz 2 Hz, Phasendauer 400 µs, Gleichstrom, Ring 2-3, 10 min. Die Patientin erhielt die Aufgabe, während ihres täglichen Lebens so gut wie möglich zu entspannen, den Reiz wahrzunehmen und flach zu atmen (zum Reiz hin). Danach erfolgt eine EMG-Messung, um die Wirkung der ES zu verdeutlichen.

Casus 5 aug

Während der Messung unmittelbar nach der Elektrostimulation ist im Graph zu sehen, dass die EMG-Aktivität gegenüber der vorherigen Messung etwas zurückgegangen ist und dass die Abweichungen gleich geblieben sind.

Im MAPLe Grid ist zu sehen, dass die Ruheaktivität in der Tiefe im Vergleich zu den Referenzwerten noch immer zu hoch ist, dass diese jedoch auf beiden Seiten weiter abgenommen hat.

 

Schlussfolgerung

Durch den Grid lässt sich der Punkt der Überaktivität mit dem Punkt der Beschwerden sowohl für die Patientin als auch die Beckenphysiotherapeutin viel besser in Beziehung setzen. Die Wirkung der Behandlung ist sowohl im Grid als auch im Graph unmittelbar zu sehen. Die Patientin ist sehr froh, dass sich ihre Beschwerden auf diese Weise gut erklären lassen. Während der Entspannungsübungen stellt sie nämlich nicht sofort eine Veränderung fest, aber diese Veränderung ist nach dem Üben im Grid und im Graph sehr wohl zu sehen. Da sie die Wirkung der Entspannung im Bild sieht, wird sie stärker zum Üben motiviert. Nach 4 Behandlungen erfolgt der Koitus schmerzfrei.

  

Erklärung MAPLe Grid

 

Grid Explanation DE V1.0

 




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